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Schauspiel als System

Der erste Theaterschaffende, der systematisch untersuchte, wie Schauspieler bewusst persönliche Gefühle hervorrufen und für die Rolle nutzen können, war Konstantin Stanislawski. Wer war Stanislawski? Was bedeutete sein System? Welche anderen Systemstifter gab es?

 

 

 

 
Konstantin S. Stanislawski

 

... (1863-1938) hat das wissenschaftliche Theater begründet. Sein Werk hat das Schauspieltraining weltweit revolutioniert und den Weg für das psychologisch-realistische Spiel bereitet. Er nannte es "das System".

 

 

 

Bild: Ausschnitt Kursmappe Schauspiel 1

 

Die erfolgreiche Erprobung seines Systems führte 1913 zur Gründung des ersten Studios. Auslandstourneen brachten dem Moskauer Künstlerischen Theater Weltruhm. Nach einer USA-Tournee begannen emigrierte Mitglieder des Moskauer Künstlerischen Theaters, die Grundideen Stanislawskis in New York in Theorie und Praxis zu lehren, vor allem Richard Boleslawski. Darstellende können durch das Stanislawski-System ihre Inspiration aus eigenem Willen mobilisieren. Stanislawski selbst bezeichnete diesen Weg verkürzt formuliert so: Bewusste Technik nutzen, um das Unbewusste in Gang zu setzen und es dann ungestört arbeiten zu lassen.

 

 

 

 
Bertolt Brecht

 

... (1898-1956), einer der einflussreichsten Theaterautoren des 20. Jhdt.'s, verlangte in seiner Theorie des Epischen Theaters zwischen Schauspieler und Rolle eine emotionale Distanz. Sein "episches Theater" fordert die aktive Teilnahme des Zuschauers. Er soll angeregt und zur Stellungnahme gezwungen werden. Das aber kann der Zuschauer nach Brecht nur, wenn der Schauspieler sich nicht in seine Rolle "einfühlt", sondern sie "verfremdet" darstellt. In der "Neuen Technik der Schauspielkunst" erklärt der Brecht es so:

 

"Der Kontakt zwischen Publikum und Bühne kommt gewöhnlich auf der Basis der Einfühlung zustande ... Die Technik, die den Verfremdungseffekt hervorbringt, ist der Technik, die die Einfühlung bezweckt, diametral entgegengesetzt."

 

Brechts Spieltechnik trat nach ihrer Entstehung einen Siegeszug durch nahezu alle Theater der Welt an. Wenn Stanislawski als Vater des psychologisch-realistischen Spiels gelten kann, so gilt dasselbe bezüglich des politischen Theaters für Brecht.

 

 

 

 
Lee Strasberg

 

... (1901-1982) leitete seit 1951 das Actor's Studio in New York. Er suchte einen Weg, Kreativität beständig und bewußt erreichbar zu machen.

 

 

 

Er entwickelte die nordamerikanische Variante des Stanislawski-Systems. Er erlernte das Schauspielhandwerk bei Richard Boleslawski. Stanislawskis Bezeichnung "das System" übersetzte Strasberg mit "method" (die Methode).

Daraus entstand der Begriff "method acting". Lee Strasberg wies darauf hin, dass das von Stanislawski erforschte Arbeiten mit dem sogenannten emotionalen Gedächtnis bis in die Antike zurückgeht.

 

 Im Artikel über "acting" in der Enciclopaedia Britannica schreibt er:

 

"Polus, griechischer Schauspieler des 4. Jahrhunderts, benutzte, wie uns Aulus Gellius berichtet (Attische Nächte, Buch VI, Kap. 5), als er die Elektra in Sophokles‘ gleichnamiger Tragödie darzustellen hatte, in der Szene, in welcher Elektra in großem Schmerz die sterblichen Überreste ihres Bruders Orest zu beklagen hat, die Aschenurne seines kurz zuvor verstorbenen Sohnes auf der Bühne, um die erforderlichen Gefühle in sich wachzurufen." (Übersetzung Wermelskirch, Wolfgang, “ Lee Strasberg - Schauspielen ...”, S.197, Berlin, 1988)

 

 

 


Weitere Systemstifter

 

Im Kurs kommen noch andere Systemstifter zum Zuge wie etwa Michael Tschechow, Neffe des Dramatikers Anton Tschechow, oder Jerzy Grotowski und Emiljewitsch Vsevolod Meyerhold. Außerdem Stella Adler, die das Werk Stanislawskis ganz anders als Strasberg sah.

 

 

 

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